20.10.2014BGH bestätigt Rechtsprechungsänderung zur persönlichen Störerhaftung des Geschäftsführers
Zusammenfassung
Mit Urteil vom 18.06.2014 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechungslinie zur persönlichen Haftung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Dritten als so genannter Störer bestätigt. Eine persönliche Haftung von Geschäftsführern, die allein an die Kenntnis der Rechtsverletzung anknüpft, scheidet nach dem Urteil zumindest für Fälle so genannten Verhaltensunrechts bei Wettbewerbsverstößen (UWG) aus. In diesen Fällen haftet der Geschäftsführer, wenn er die Zuwiderhandlung selbst begangen (Täter) oder an dieser persönlich beteiligt war (Teilnehmer). Hat er dagegen nur Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und unterlässt er es, diesen zu verhindern, haftet er grds. nur dann persönlich gegenüber Dritten, wenn er aufgrund einer Garantenstellung zur Verhinderung verpflichtet war.
Unverändert lässt der Bundesgerichtshof die Störerhaftung bei Verletzung absoluter Rechte, wie den Rechten des geistigen Eigentums (Namensrecht, Markenrecht, Urheberrecht). Nach seiner bisherigen Rechtsprechung bedarf es hierfür jedoch zusätzlich der Verletzung einer im jeweiligen Einzelfall zu ermittelnden Prüfungspflicht.
Das Urteil des BGH
Nach dem Urteilssachverhalt vertrieb die beklagte GmbH im Auftrag eines Wettbewerbers des Klägers Gaslieferverträge. Sie beauftragte hierzu selbständige Handelsvertreter, die sich bei der Haustürwerbung jedoch wettbewerbswidriger Methoden bedienten. Der Kläger nahm neben der GmbH auch deren Geschäftsführer persönlich auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Nach früherer Rechtsprechung konnte der Geschäftsführer persönlich in Haftung genommen werden, wenn er den Rechtsverstoß entweder selbst als Täter oder Teilnehmer begangen hatte oder wenn er als Störer zu qualifizieren war. Die Haftung als Störer war besonders riskant, denn Störer konnte bereits derjenige sein, der von dem Rechtsverstoß Kenntnis hatte und die rechtliche Möglichkeit ihn zu verhindern (so zuletzt OLG Hamburg,Urteil vom 28.02.2013 – 3 U 136/11 Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 28.02.2013 – 3 U 136/11
). Ein Verschulden war nicht erforderlich. Dieser weitreichende Haftungsansatz stand vielfach in der Kritik. Auch der BGH versuchte die Störerhaftung im Wettbewerbsrecht durch zusätzliche Anforderungen einzuschränken und hatte zuletzt auch von ihr Abstand genommen. In seinem Urteil hat er nun bestätigt, die Störerhaftung für Fälle des so genannten Verhaltensunrechts, bei denen keine Verletzung absoluter Rechte in Frage steht, ausdrücklich aufgegeben zu haben.
Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen ist nach Auffassung des BGH als haftungsbegründender Umstand nicht ausreichend. Der Wettbewerbsverstoß müsse dem Geschäftsführer grds. anzulasten sein. Als Beispiel hierfür nennt der BGH die rechtsverletzende Benutzung einer bestimmten Firmierung oder den allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden werde.
Das Unterlassen eines Geschäftsführers sei nur dann haftungsrelevant, wenn dieser aufgrund einer Garantenstellung verpflichtet sei, die Rechtsverletzung zu verhindern. Eine Garantenstellung könne sich u.a. aus vorhergehendem gefährdenden Tun, oder der Inanspruchnahme von Vertrauen ergeben. Allein die Organstellung des Geschäftsführers und dessen allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründeten jedoch keine Verpflichtung gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern. Eine solche Pflicht obliege dem Geschäftsführer grds. nur gegenüber der Gesellschaft. Im Zusammenhang mit der Organisation des Unternehmens sei die Verletzung einer zur Außenhaftung führenden Verkehrspflicht allenfalls zu erwägen, wenn der Geschäftsführer sich bewusst der Möglichkeit entziehe, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von ihm beauftragten Drittunternehmen zu nehmen und dementsprechend Einfluss zu ihrer Verhinderung ausüben zu können. Zuletzt sah der BGH auch in der Auslagerung der Haustürwerbung auf selbständige Handelsvertreter keinen haftungsbegründenden Umstand. Die Auslagerung sei eine wettbewerbsrechtlich grds. unbedenkliche Unternehmensentscheidung, ohne Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße. Mit der Beauftragung eines Subunternehmens sei folglich auch keine Verkehrspflicht verbunden, für die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften durch die Mitarbeiter der Subunternehmen zu sorgen.
Bedeutung der Entscheidung
Im Ergebnis hatte die Klage gegen den Geschäftsführer keinen Erfolg. Mit Aufgabe der Störerhaftung konnten dabei die in der Praxis oft schwierigen Fragen dahinstehen, ob der Geschäftsführer von den beanstandeten Wettbewerbsverstößen tatsächlich Kenntnis hatte oder sich zu Unrecht auf Unkenntnis beruft. Der BGH vereinfacht damit die wettbewerbsrechtliche Haftungssituation und verringert das unkalkulierbare Risiko des Geschäftsführers für Rechtsverletzungen aus dem Unternehmen oder von Subunternehmern persönlich auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Ob diese Rechtsprechung auch auf Fälle von Verhaltensunrecht außerhalb des Lauterkeitsrechts übertragen wird, bleibt abzuwarten.
Das Urteil bezieht sich jedoch lediglich auf die persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten. Beachtung sollte ebenfalls dem haftungsträchtigen Fall des Organisationsverschuldens (Compliance) geschenkt werden. Der Geschäftsführer kann hier von seiner Gesellschaft persönlich in Anspruch genommen werden, wenn diese durch Rechtsverstöße ihrer Arbeitnehmer oder Subunternehmer geschädigt wird. Ob der Geschäftsführer von den Rechtsverstößen Kenntnis hatte, spielt dabei grds. keine Rolle.