Energierecht aktuell
Zahlreichen Betreibern von Photovoltaik-Anlagen drohen Rückzahlungen. Das OLG Schleswig entschied erneut, dass Netzbetreiber ausgezahlte Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wegen zu später Anmeldung der Anlage zurückverlangen können. Bundesweit sind ca. 4500 Anlagen betroffen.
Wichtig für: Anlagenbetreiber, Netzbetreiber und jeden, der sich für Energierecht interessiert
OLG Schleswig, Urteile vom 22.09.2016 – Az. 11 U 108/15 und vom 21.06.2016 – Az. 3 U 108/15
Dr. Bianca Christ Maîtrise en Droit
I. Hintergrund
Gegenstand dieser Entscheidungen sind Rückforderungen ausgezahlter Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gegenüber Betreibern von EEG-Anlagen durch den regionalen Netzbetreiber, der den von der EEG-Anlage produzierten Strom abgenommen und nach der im EEG gesetzlich festgelegten Höhe bestimmter Cent pro erzeugter Kilowattstunde vergütet hat. Der regionale Netzbetreiber, auch sog. Verteilnetzbetreiber, leitet den EEG-Strom an den überregionalen Übertragungsnetzbetreiber weiter, der die nächsthöhere Netzebene betreibt, und erhält von diesem einen finanziellen Ausgleich.
Das EEG sieht eine Pflicht zur Anmeldung der Anlagen bei der Bundesnetzagentur vor. Die vorliegenden Fälle betreffen EEG-Anlagen, die nicht oder verspätet angemeldet worden sind und sich die Frage stellt, ob die Auszahlung der Vergütung für den eingespeisten Strom ohne (rechtzeitige) Anmeldung rechtswidrig erfolgte, damit die Fördervoraussetzungen nicht vorliegen und die Vergütung zurück gefordert werden kann.
II. Rechtliche Beurteilung
1. Sachverhalt
Aktuell fordert die Schleswig-Holstein Netz AG als regionale Netzbetreiberin allein im Bundesland Schleswig-Holstein rund 3,8 Millionen Euro EEG-Vergütungen von 240 Solarstromerzeugern zurück, weil viele Erzeuger ihre Photovoltaik-Anlagen nicht oder verspätet bei der Bundesnetzagentur anmeldeten. Im gesamten Bundesgebiet sind nach aktuellen Informationen derzeit ca. 4500 Anlagenbetreiber von der Problematik betroffen. Dies ergab eine Anfrage der Linken gegenüber der Bundesregierung. Ob die Anmeldung in allen Fällen vergessen wurde oder es sich um Formfehler handelt, ist noch ungeklärt.
Erste Informationen zum neuesten Urteil vom 21.09.2016 lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt lediglich der Presse entnehmen. Aktuellen Meldungen zufolge wurde ein Landwirt zur Rückzahlung von 200.000 Euro EEG-Vergütung verurteilt. Dies sei damit zu begründen, dass er die Anlage nicht bei der Bundesnetzagentur angemeldet habe, obwohl die gesetzliche Regelung Betreiber von Photovoltaik-Anlagen klar dazu verpflichte. Die regionale Netzbetreiberin sei - wie eine Sprecherin des OLG Schleswig mitteilte - nicht dazu verpflichtet, deutlicher auf diese Regelung hinzuweisen, als dies hier geschah.
Bereits im Juni 2016 entschied das OLG Schleswig über einen ähnlich gelagerten Fall. Dort gab der Anlagenbetreiber gegenüber der regionalen Netzbetreiberin an, die Anlage bereits bei der Bundesnetzagentur angemeldet zu haben, holte die Anmeldung tatsächlich aber erst im November 2014 nach. Für den Zeitraum von Mai 2012 bis November 2014 verlangt die Netzbetreiberin die bereits gezahlten Einspeisevergütungen nach den Fördersätzen des EEG zurück. Ihrer Auffassung nach führt die fehlende Anmeldung der Anlage dazu, dass keine bzw. lediglich eine geringere Vergütung, die sich nach dem jeweiligen Marktwert richtet, verlangt werden könne. Der Anlagenbetreiber dagegen sah die Netzbetreiberin in der Pflicht, ihn auf die Meldepflicht und die damit verbundene Vergütungsrelevanz aufmerksam zu machen.
2. Entscheidung
Das OLG Schleswig hat in beiden Fällen der Klage der regionalen Netzbetreiberin stattgegeben.
3. Gründe
Nach Ansicht des OLG Schleswig kann der regionale Netzbetreiber die Rückzahlung der bereits gezahlten Einspeisevergütungen verlangen, sollte der Betreiber seine Solaranlage nicht rechtzeitig bei der Bundesnetzagentur angemeldet haben. Da der Rückforderungsanspruch den allgemeinen Interessen diene, könne der Anlagenbetreiber etwaige eigene Ansprüche nicht entgegensetzen.
Vorliegend wurde eine zu hohe Einspeisevergütung an den Anlagenbetreiber gezahlt, da die Förderungsvoraussetzungen auf Grund der fehlenden Anmeldung bei der Bundesnetzagentur nicht vorlagen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es noch keine Rückforderungsansprüche des Übertragungsnetzbetreibers gibt, an den der regionale Netzbetreiber die zurück gezahlten Beträge weiterreichen muss.
Dem Anlagenbetreiber ist es ferner nicht möglich, Schadensersatzansprüche im Wege der Aufrechnung entgegen zu halten. Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich daraus, dass die zurückerlangten Förderbeträge dem allgemeinen Interesse dienen. Dies lässt sich damit begründen, dass der regionale Netzbetreiber die Zahlungen an den Übertragungsnetzbetreiber weiterreicht und dieser wiederum die EEG-Umlage geringer berechnen muss. Die neue Preiskalkulation der Stromversorgungsunternehmen wirkt sich somit auch positiv auf den Verbraucher aus.
Dem regionalen Netzbetreiber ist im Hinblick auf seine Aufklärungspflicht auch kein Fehlverhalten vorzuwerfen, da er den Anlagenbetreiber im Rahmen eines Formblatts auf die notwendige Anmeldung hingewiesen hatte. Die Pflicht zur Anmeldung der Anlage betrifft aber allein den Anlagenbetreiber.
III. Fazit
Auf Grund der zahlreichen Fälle im gesamten Bundesgebiet und der damit verbundenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OLG Schleswig in beiden Fällen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Nun bleibt vorerst die Entscheidung des obersten Zivilgerichts abzuwarten. Die bereits vorliegenden Entscheidungen zeigen jedoch schon jetzt, dass vielen Solarstromerzeugern hohe Rückforderungen drohen. Es könnte sich als besonders problematisch für die Betroffenen erweisen, dass die Gerichte die Pflicht zur Anmeldung einer Photovoltaik-Anlage allein beim Anlagenbetreiber sehen.
Nach Aussagen der Schleswig-Holstein Netz AG wolle man den Betroffenen jedenfalls eine zweijährige zinsfreie Rückzahlungsmöglichkeit einräumen. Wie andere Netzbetreiber mit der Situation umgehen werden, ist noch unklar.