Bundesfinanzhof, Urteil v. 13.11.2013 – I R 45/12, DStR 2014, 643

BFH, Urteil v. 13.11.2013 – I R 45/12, DStR 2014, 643 (FG Nds. v.10.5.2012 – 6 K 140/10, GmbHR 2012, 917): Zur Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrages – Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres und Kündigung aus wichtigem Grund (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 und 2 KStG 2002)

 

Dr. Hella Schmidt-Naschke, Philipp Neidel

 

1. Einleitung

 

Verpflichtet sich eine GmbH mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag, ihren ganzen Gewinn an ein einziges, anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft für steuerliche Zwecke (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) dem Träger des Unternehmens (Organträger) unter bestimmten Voraussetzungen zuzurechnen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrages ist dabei (nur) unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Konkret hatte der BFH im vorliegenden Fall einerseits zu klären, ob sich die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres schädlich auf die zeitliche Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren auswirkt und andererseits, ob eine konzerninterne Veräußerung der Organbeteiligung als unschädlicher, wichtiger Grund für eine Kündigung zu bewerten ist.

 

2. Entscheidung

 

Im Entscheidungsfall steht an der Spitze eines vierstufigen Konzerns die in Großbritannien ansässige Y-Holding (Y), welche über eine niederländische Holding an der deutschen W-KG beteiligt ist. Die W-KG  ist wiederum an der Klägerin, einer in Deutschland ansässigen GmbH, beteiligt. Die Klägerin hat im Jahr 2005 ein Gewinnabführungsvertrag mit der W-KG geschlossen und darin ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund im Falle der Veräußerung der Beteiligung an der Klägerin vereinbart. Hierbei handelte es sich für den Konzern der Y um eine atypische Konstruktion. Im Jahr 2007 hoben die Klägerin und die W-KG den Gewinnabführungsvertrag, nach dem durch die Verrechnung der positiven Ergebnisse der Klägerin mit den gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen der W-KG, letztere vollständig verbraucht waren,  einvernehmlich auf. In der Folge veräußerte die W-KG die Beteiligung an der Klägerin innerhalb des Konzerns an die Y, um nachteilige Folgen aufgrund einer zwischenzeitlichen Steuergesetzänderung im Ausland zu vermeiden. Zwischenzeitlich (November 2005) hatte die Klägerin eine Umstellung des Wirtschaftsjahres beantragt, wodurch das laufende Wirtschaftsjahr auf ein Rumpfwirtschaftsjahr verkürzt wurde.

 

Die Bildung des Rumpfwirtschaftsjahres sah der BFH als für die steuerliche Anerkennung der Organschaft unschädlich an, da die feste Vertragslaufzeit von fünf Zeitjahren hiervon unberührt geblieben sei. Seine bisherige Rechtsprechung (vgl. etwa BFH v. 12.1.2011 – I R 3/10, NZG 2011, 596) konstatiere kein generelles Erfordernis, den Mindestzeitraum mit fünf zwölfmonatigen Wirtschaftszeiträumen auszufüllen. Vielmehr sei das Erreichen von fünf Zeitjahren maßgeblich, was etwa auch durch eine Vereinbarung der Fortsetzung des Vertrages zum Ablauf des (abgekürzten) Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft erreicht werden könne.

 

Die zweite Frage, ob die Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft einen wichtigen Grund darstellt, wird seit langem diskutiert. Nach der Finanzverwaltung kann in einer solchen Veräußerung ein wichtiger Grund gesehen werden, jedenfalls solange nicht bereits bei Vertragsschluss feststeht, dass der Vertrag vor Ablauf der fünf Jahre beendet wird (vgl. Abschn. 60 Abs. 6 S. 2 und 3 KStR). Fraglich ist aber, ob dies auch bei einem konzerninternen Verkauf so zu sehen ist.

 

Das erstinstanzliche Gericht (FG Nds. v. 10.5.2012 – 6 K 140/10, GmbHR 2012, 917), entschied, dass der Zweck der Mindestlaufzeit, „willkürliche Beeinflussung auf die Besteuerung und eine Einkommensverlagerung von Fall zu Fall“ zu verhindern, einen objektiv gewichtigen außersteuerlichen oder einen „besonders gewichtigen steuerlichen Grund“ erfordere. Als so gewichtig sei jedenfalls nicht generell der Verkauf einer Beteiligung innerhalb des Konzerns zu bewerten. Dies würde die vorzeitige Beendigung in das Belieben der Gesellschaften stellen. Ebenfalls seien die geänderten steuerlichen Bedingungen in den Niederlanden nicht „wichtiger Grund“, da mit der angeführten Gesetzesänderung bereits bei Abschluss des Gewinnabführungsvertrages zu rechnen gewesen sei.

 

Diese Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichts wurde im Ergebnis nun höchstrichterlich bestätigt. Dabei betont auch der BFH, dass der wichtige Grund für die Vertragsaufhebung an eigenen, steuerrechtlichen Kriterien objektiv zu messen sei und insbesondere der Zweck der Mindestlaufzeit, die willkürliche Beeinflussung der Besteuerung zu verhindern, einen gewichtigen Grund ausschließe, wenn es den Parteien darum geht, die Rechtsfolgen der Organschaft mittels Vertragsaufhebung zeitlich zu begrenzen, um die „Mindestlaufzeit zu unterlaufen“. Letztlich sah der BFH jedoch nicht die Beteiligungsveräußerung an sich oder das Fehlen von gewichtigen außersteuerlichen Motiven als tragend an, sondern die „Würdigung, dass die Vereinbarung, die bei einer konzerntypischen Beteiligungsstruktur nicht hätte abgeschlossen werden können, jedenfalls faktisch unter die (zeitlich) auflösende Bedingung des vollständigen Verlustverbrauchs gestellt“ worden sei.

 

3. Praktische Folgen

 

Für die Praxis stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus dem Urteil gezogen werden müssen. Klärung hat das Urteil insofern herbeigeführt, als die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres während der Laufzeit eines Gewinnabführungsvertrages allein nicht zu dessen Nichtanerkennung für steuerliche Zwecke führt. Betreffend die Kündigung aus wichtigem Grund wird man das Urteil wohl so deuten dürfen, dass die konzerninterne Veräußerung nicht per se als wichtiger Grund ausscheidet, jedoch insbesondere bei konzerninternen Umstrukturierungen vor Ablauf der Mindestlaufzeit von fünf Jahren größte Vorsicht geboten ist, wenn hierdurch steuerliche Vorteile erzielt werden, bzw. Nachteile vermieden werden, die bei Abschluss des Gewinnabführungsvertrages bereits absehbar waren.

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