Bewegung an der Schriftform-Front: Reform der Schriftformklausel § 550 BGB geplant

Der Bundesrat hat am 20.12.2019 den Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht“ vorgelegt. Dieser sieht eine – lange und vielfach geforderte – Reform der Schriftformklausel des § 550 BGB vor.

 

Was regelt § 550 BGB?

Derzeit ermöglicht § 550 BGB beiden Mietvertragsparteien – nach Ablauf eines Jahres ab Übergabe der Mietsache – die jederzeitige ordentliche Kündigung eines befristeten Mietvertrages, wenn ein Schriftformmangel vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Parteien bei Abschluss ihres Mietvertrages oder in der Folgezeit eine vertragswesentliche Abrede getroffen haben, ohne diese in einem der Schriftform gem. §§ 126, 550, 578 BGB genügenden Nachtrag festzuhalten.

 

Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht?

§ 550 BGB sollte nach seinem ursprünglichen Zweck in erster Linie dem Erwerberschutz dienen, indem er sicherstellt, dass der in den bestehenden Mietvertrag eintretende Käufer einer vermieteten Immobilie nicht die Katze im Sack kauft. Der Käufer soll vielmehr im Rahmen seiner Due Diligence alle vertragswesentlichen Regelungen, die schriftformgemäß festgehalten wurden, überprüfen können und darüber hinaus das Recht haben, sich vom Vertrag zu lösen, wenn schriftformwidrige Zusatzabreden getroffen wurden, an die er nicht gebunden sein möchte.

 

Warum besteht dringender Reformbedarf?

Das Kündigungsrecht des § 550 BGB wird vielfach zweckentfremdet und dafür genutzt, sich unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig von unliebsamen langjährigen Verträgen zu lösen.

Eine Zeit lang wurde versucht, diesem Risiko durch sog. Schriftformheilungsklauseln entgegenzuwirken, in denen sich beide Parteien vertraglich verpflichten, den Mietvertrag nicht unter Berufung auf etwaige Schriftformmängel zu kündigen. Dieser Praxis hat der BGH in seinem letzten Urteil zu Schriftformheilungsklauseln (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2017, Az. XII ZR 114/16) aber endgültig einen Riegel vorgeschoben.

 

Dies führt in der Praxis – insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett – zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand für die Mietvertragsparteien. Denn diese sind bemüht, jede Planänderung in einem schriftformgemäßen Nachtrag zu fixieren, um keinen Schriftformmangel und damit eine vorzeitige Kündigung des langjährigen Mietvertrages zu riskieren.

 

Was sieht der Gesetzentwurf des Bundesrates vor?

Nach dem neuen Gesetzentwurf des Bundesrates soll § 550 BGB gestrichen werden.
Stattdessen soll eine neue, angepasste Regelung als Absatz 3 in § 566 BGB (Kauf bricht nicht Miete) aufgenommen werden, wonach das Recht zur ordentlichen Kündigung befristeter Mietverträge bei Schriftformverstößen nur noch einem Erwerber – und damit weder dem ursprünglichen Vermieter noch dem Mieter – zusteht.

 

Der Entwurf sieht außerdem vor, dass das Recht zur Ausübung einer Schriftform-Kündigung durch den Erwerber auf drei Monate ab Kenntnis von der schriftformwidrigen Zusatzabrede befristet ist. Die Kündigung darf ferner nur auf solche Verstöße gegen die Schriftform gestützt werden, die vor dem Erwerb erfolgt sind.

 

Der Mieter soll (als Kompensation für den Verlust eines eigenen Kündigungsrechtes) die Möglichkeit erhalten, die Kündigung des Erwerbers einseitig zu verhindern, indem er dieser innerhalb von 2 Wochen ab Zugang widerspricht und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses ohne die schriftformwidrige Zusatzabrede verlangt.

 

Sind diese Regelungen sinnvoll?

Der Bundesratsentwurf erscheint grundsätzlich ausgewogen und gut durchdacht. Die vorgeschlagenen Regelungen dürften zu mehr Rechts- und Planungssicherheit für beide Parteien von Gewerbemietverhältnissen beitragen. Die Kündigungsmöglichkeit wegen Schriftformmangels würde auf ihren eigentlichen Zweck, den Erwerberschutz, beschränkt.

 

Ein Problem ist sicherlich die Nachweisbarkeit der Kenntnis des Erwerbers vom Schriftformmangel, an die die dreimonatige Frist zur Ausübung des neuen Kündigungsrechtes geknüpft werden soll. Dieses hat auch der Bundesrat in seiner Entwurfsbegründung gesehen und führt dazu aus, dass der Mieter, um eine bestehende Ungewissheit zu beenden, die Frist selbst in Gang setzen könne, indem er dem Erwerber den Formmangel mitteilt. Dann können die Parteien entweder einen schriftformgemäßen Nachtrag bezüglich der betreffenden Regelung schließen, oder der Vermieter erklärt die Kündigung, die der Mieter wiederum durch rechtzeitigen Widerspruch und Verzicht auf die schriftformwidrige Zusatzabrede verhindern kann. In diesem Fall gilt das Mietverhältnis mit der ursprünglichen Befristung und ohne die schriftformwidrige Regelung fort.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Der Entwurf wurde durch den Bundesrat vorgelegt. Er wird nun über die Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet. Im Bundestag könnten noch – ggf. auch umfangreichere – Änderungsanträge gestellt werden. Wenn der Bundestag das Gesetz verabschiedet, muss es zunächst wieder an den Bundesrat übermittelt werden, der es dann nur noch innerhalb von 2 Wochen ab Zugang durch Einlegung eines Einspruchs – den der Bundestag allerdings wiederum überstimmen könnte – aufhalten kann. Nach Ablauf dieser Einspruchsfrist kann das Gesetz dann ausgefertigt werden.

 

Da die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, sondern nur einzelne Verfahrensschritte reglementiert sind, lässt sich schwer abschätzen, wann der (ggf. angepasste) Entwurf tatsächlich in Kraft tritt. Sollte der Bundestag den Entwurf nicht mehr innerhalb dieser Legislaturperiode (bis voraussichtlich Herbst 2020) beschließen und dem Bundesrat zuleiten, müsste das gesamte Verfahren wegen des Grundsatzes der Diskontinuität von vorne beginnen.

  

In jedem Fall empfiehlt es sich, den Gesetzgebungsprozess genau im Auge zu behalten. Nach dem aktuellen Entwurf des Bundesrates sollen die neuen Regelungen nämlich auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Mietverträge Anwendung finden. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn bereits vor dem Inkrafttreten eine Schriftform-Kündigung erfolgt ist. Sollte eine solche geplant sein, ist also ggf. Eile geboten.

 

 

Der Gesetzesentwurf des Bundesrates ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0401-0500/469-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

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