Auswirkungen der Corona-Virus-Krise: Bauzeitverzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie

 

Viele Auftragnehmer zeigen derzeit an, dass es zu Bauzeitverzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie gekommen ist bzw. kommen wird. Denkbare Ursachen hierfür sind neben behördlichen Anordnungen von Quarantänemaßnahmen Leistungsausfälle aufgrund von Lieferengpässen oder Personalausfälle infolge der Grenzschließungen.

 

In all diesen Situationen stellt sich die Frage, wer für derartige Bauzeitverzögerungen einzustehen hat. Maßgeblich sind hierfür, soweit es keine vertraglichen Regelungen gibt, die Vorgaben der VOB/B und des BGB.

 

Danach ist von entscheidender Bedeutung, ob die Behinderung der Bauausführung durch höhere Gewalt verursacht wurde.

 

Bei Bauverträgen, die auf der Grundlage der VOB/B abgeschlossen wurden, ist § 6 VOB/B maßgebend. Wurde eine Behinderung durch höhere Gewalt verursacht, verlängern sich die Ausführungsfristen für den Auftragnehmer automatisch (§ 6 Abs. 2 Nr. 1c VOB/B) um die Dauer der Behinderung mit angemessenem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten (§ 6 Abs. 4 VOB/B). Pönalen und Schadensersatz können mangels Verschuldens nicht geltend gemacht werden. Der Auftraggeber gerät nicht in Annahmeverzug (§ 642 BGB). Dauert die Unterbrechung länger als drei Monate, können beide Parteien den Vertrag kündigen (§ 6 Abs. 7 Satz 1 VOB/B).

 

Wann höhere Gewalt (auch „Force Majeure” oder „Acts of God”) anzunehmen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung wird dies bei unvorhersehbaren, unvermeidbaren und von außen einwirkenden Ereignissen angenommen.

 

Das Vorliegen dieser strengen Voraussetzungen kann allerdings – auch in Bezug auf die Corona-Pandemie – nicht generell angenommen werden, sondern ist im Einzelfall zu prüfen. Eine Pandemie - und somit auch die Corona-Pandemie - allein für sich begründet keine höhere Gewalt. Das hat auch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in seinem aktuellen Erlass vom 23. März 2020 zur Fortführung und Handhabung von Bauablaufstörungen für Baustellen des Bundes klargestellt.

 

Als höhere Gewalt einzuordnen sind diejenigen Fälle, in denen ein Auftragnehmer objektiv nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. Dies wird bei staatlichen Maßnahmen anzunehmen sein, wie beispielsweise bei Gebietsabriegelungen aufgrund einer behördlichen Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder aufgrund einer Notfall-Verordnung. Ebenfalls kann dies der Fall sein, wenn ein Unternehmen unter Quarantäne gestellt ist.

 

In den Risikobereich des Auftragnehmers fallen demgegenüber – und sind daher nicht als höhere Gewalt zu qualifizieren – grundsätzlich solche Umstände, die von ihm regelmäßig einzukalkulieren und dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind. In diese Sphäre fallen Material- und Personalbeschaffung sowie die Sicherstellung von Nachunternehmerleistung. Ein etwaiges Kostensteigerungsrisiko hat der Auftragnehmer bis zur Grenze der Unzumutbarkeit zu tragen.

 

Die Nachweispflicht trifft dabei denjenigen, der sich auf höhere Gewalt beruft. Hierfür genügen weder allgemeine Ausführungen noch eine rein vorsorgliche Anzeige der Behinderung. Erforderlich ist vielmehr – wie auch sonst im Rahmen von Baustörungen – die konkrete Angabe, wann und auf welche Art und Weise der Bauablauf durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie behindert ist.

 

Demgegenüber hält es das BMI für Bauvorhaben des Bundes für ausreichend, wenn die Darlegungen des Auftragnehmers das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen. Inwieweit diese erleichterten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweispflicht auch im Bereich der privaten Bauwirtschaft ausreichen, um ein Vorliegen höherer Gewalt rechtssicher anzunehmen, ist aktuell offen.

 

Diese Information soll betroffene Unternehmen für das Thema sensibilisieren, stellt aber keine rechtliche Beratung für einen konkreten Einzelfall dar und soll und kann eine solche Beratung auch nicht entbehrlich machen.

 

Im Falle eines Beratungsbedarfs steht Ihnen unsere Sozietät SammlerUsinger gern zur Verfügung.

 

Ansprechpartner sind hier Frau Rechtsanwältin Monika Prell, Fachanwältin für Vergaberecht, und Frau Rechtsanwältin Dr. Jana Dahlendorf.

 

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