Auswirkungen der Corona-Virus-Krise: Ausgangssperre zwischen Freizügigkeit und staatlicher Schutzpflicht

 

Inzwischen haben fünf EU-Mitgliedstaaten aufgrund des Corona-Virus eine landesweite Ausgangssperre für ihre Bürger verhängt: Italien, Frankreich, Spanien, Österreich und Belgien.

 

Aktuellen Pressemitteilungen zufolge prüft die Bundesregierung derzeit den rechtlichen Rahmen für den Erlass bundesweiter Ausgangssperren in Deutschland. Mit einer Ausgangssperre würden die rund 84 Millionen Bürger in Deutschland dazu verpflichtet, ihre Wohnung oder ihr Haus nicht zu verlassen. Eine flächendeckende Ausgangssperre wäre in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalig. Ausnahmen müssen aus Gründen des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit zugelassen werden, insbesondere für den Gang zum Supermarkt, zum Arzt, oder in die Apotheke sowie ggf. zur Arbeit oder zur unabdingbaren Versorgung von Haustieren.

 

Der Erlass einer allgemeinen Ausgangssperre ist nach der bestehenden Gesetzeslage rechtlich nicht zulässig, da die nach § 28 Infektionsschutzgesetz zulässigen Ausgangssperren in erster Linie für bestimmte Personen gedacht sind, nicht jedoch pauschal für die gesamte deutsche Bevölkerung.

 

Als erste deutsche Behörde hat das bayerische Landratsamt Tirschenreuth eine Ausgangssperre für den Bereich der Stadt Mitterteich verhängt. Ob die auf § 28 Infektionsschutzgesetz gestützte Allgemeinverfügung des Landratsamts Tischenreuth rechtlich zulässig ist, erscheint jedoch fraglich. Auch in Berlin droht der Regierende Bürgermeister mit dem Erlass einer Ausgangssperre. Eine Rechtsgrundlage für die Verhängung einer in ganz Berlin geltenden Ausgangssperre sieht das Rechtssystem gegenwärtig jedoch nicht vor.

 

Für eine flächendeckende Ausgangssperre bedürfte es einer Gesetzesänderung. Eine solche wäre verfassungsrechtlich zulässig.

 

Zwar ist die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für eine Ausgangssperre ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht des Einzelnen auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG). Danach genießen alle Deutschen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Das Grundrecht wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Es kann insbesondere zur Bekämpfung einer ‚Seuchengefahr‘, also wenn – wie im Falle des Corona-Virus – die Ausbreitung schwerer übertragbarer Krankheiten droht, eingeschränkt werden.

 

Der Grundrechtseingriff ließe sich auch mit der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates rechtfertigen. Bei der jetzigen Sachlage wäre der Eingriff nicht unverhältnismäßig. Aus dem ebenfalls durch das Grundgesetz geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) folgt die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter ‚Leben‘ und ‚körperliche Unversehrtheit‘ zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren.

 

Die tragischen Erfahrungen mit dem Corona-Virus in anderen Ländern zeigen, dass ein staatliches Handeln geboten ist. Der Gesetzgeber verfügt bei einer Abwägung der einzelnen Grundrechte daher über einen weiten Einschätzungsspielraum, den er zugunsten des Erlasses einer Ausgangssperre ausüben könnte.

 

Diese Information soll Betroffene und öffentliche Auftraggeber für das Thema sensibilisieren, stellt aber keine rechtliche Beratung für einen konkreten Einzelfall dar und soll und kann eine solche Beratung auch nicht entbehrlich machen.

 

Im Falle eines Beratungsbedarfs steht Ihnen unsere Sozietät SammlerUsinger gern zur Verfügung.

 

Ansprechpartner sind hier Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Christoph Moench, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Herr Rechtsanwalt David Brosende.

 

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